Die liparischen Inseln nördlich von Sizilien, auch äolische Inseln genannt, werden als schön und windreich gerühmt. Am südlichsten liegt Vulcano, dann folgt nach Nordosten Lipari selbst, Panarea und Stromboli, nach Westen Salina, Filicudi und Alicudi, die letzten beiden schon etwas abgelegen. Das Ganze ist Teil des italienischen Feuerrings von Vulkanen vom Ätna auf Sizilien über den Stromboli und die anderen Vulkane des Archipels bis zum Vesuv bei Neapel im Norden. Grund genug für uns, uns dieses italienische Segelrevier einmal vorzunehmen. Zu sechst charterten wir eine Bavaria 41 Cruiser bei „Sailing Sicily“ in Portorosa westlich von Milazzo, und am 25.5.2019 ging es los auf unseren einwöchigen Törn.
Samstags morgens flogen wir nach Catania, mieteten uns dort für die Woche 2 Kleinwagen, die wir dann in der Marina in Portorosa kostenfrei stehen ließen und bei der Rückfahrt nach Catania am nächsten Samstag wieder benutzten. Dies erwies sich als kosten- und zeitgünstiger als alle Alternativen mit Bus, Zug oder Taxi. Am Sonntagmorgen wollten wir dann auslaufen, aber schon am Samstagnachmittag baute sich ein mächtiger Sturm auf, der alles umherfliegen ließ. Äolus, der Gott des Windes, hatte ja Odysseus einen Sack mit den Winden darin geschenkt. Dummerweise öffneten seine Gefährten kurz vor der Ankunft in der Heimat Ithaka in Griechenland diesen Sack, und von den starken Winden wurden sie zurückgeworfen bis nach Sizilien, und die Odyssee nahm ihren Lauf. Uns empfingen am Sonntag 8 Windstärken, in den Böen bis 9. Ein rotierendes Tiefdrucksystem stand über Sardinien und hielt diesen Teil des Mittelmeers für fast 2 Tage in Atem.
So starteten wir erst am Montag. Montags wechselte der vorherrschende Wind von Südost auf West. Der erste Schlag brachte uns in ca. 5 Stunden nach Vulcano. Vulcano ist eine aktive Vulkaninsel mit heißen Fumarolen, auch im Wasser in der Bucht vor der Insel, und stößt immer wieder mal schweflige Wolken aus. In der „levantinischen Bucht“ auf der Ostseite im Norden fanden wir einen Schwimmsteg mit recht gutem Schutz gegen nördliche, südliche und westliche Winde. Stromversorgung, Duschen und Toiletten gab es allerdings noch nicht, das sei „work in progress“ wurde uns barsch beschieden. Wir behalfen uns mit den Duschen im nahegelegenen Schwefelschlamm- und Fangobad.
Am Dienstag ging es bei guten 5 bis 6 bft. mit westlichem Wind auf Nordostkurs nach Stromboli, der das nördliche Ende des liparischen Archipels markiert. Wir brauchten für die ca. 25 Seemeilen etwa 5 Stunden. Der Stromboli ist ein aktiver Vulkan, der alle halbe Stunde hörbar faucht, immer wieder weiße und dunkelgraue Wolken ausstößt, gelegentlich ein paar Lavaspritzer, und ca. einmal im Jahrzehnt größere Mengen Lava über seine nordwestliche Feuerrutsche ins Meer fließen lässt. Sein rötlicher Schein um den Gipfel ließ ihn in der Antike schon zu einem natürlichen Leuchtturm für Seefahrer werden. Wir befestigten unser Boot im Bojenfeld südlich des Fähranlegers vor San Vincenzo im Nordosten der Insel, im Schutz vor dem frischen westlichen Wind und genossen eine ruhige Nacht mit Abendessen aus der eigenen Kombüse. Drei von uns ließen es sich nicht nehmen, an einer geführten Besteigung des Stromboli mit Besichtigung des Hauptkraters teilzunehmen. Mit dem Dinghi paddelten sie an Land. Oben auf dem Gipfel froren sie allerdings in den eisigen Seewinden wie die Schneider und waren nach etwa 4 Stunden wieder froh, sich an Bord aufwärmen zu können.
Der nächste Morgen startete mit einer nördlichen Umrundung des Stromboli unter Motor, mit anschließendem südwestlichem Kurs nach Salina, der Insel nordwestlich hinter Lipari, dabei Panarea und weitere kleinere Inseln des Archipels nördlich passierend. Die Windverhältnisse waren leider mau, und wir mussten mehr als die Hälfte der Zeit unter Motor laufen. Dafür wurden wir in Salina mit einer gut ausgestatteten Marina belohnt, mit Strom, Wasser, Duschen und Toiletten und einem sehr zuvorkommenden Mooring-Service hinter dem schützenden Wellenbrecher. Das Örtchen selbst ist sehr schön, verfügt über eine nette Einkaufsgasse und eine ganze Reihe einnehmender Restaurants. Typisches Mitbringsel der Insel ist der hier angebaute Malvasier-Südwein, sowie bunte Keramiken im örtlichen Stil.
Am Donnerstag verließen wir Salina nach Norden, um die gegenüber liegende Insel Lipari anzulaufen und dort an den Schwimmstegen des Hauptortes festzumachen, der in einer nach Osten ausgerichteten Bucht liegt. Auf dem Weg dahin legten wir noch einen Badestopp in einer der nördlichen Buchten von Lipari ein, und kamen dann zügig am Nachmittag in Lipari selbst an. Die eigentliche Marina liegt im Norden der Bucht, aber ca. 3 km abseits des Städtchens. Der alte Stadthafen im Süden war uns zu eng und zu riskant, noch einen Platz zu ergattern. Also entschieden wir uns für einen der drei Schwimmstege der Marina Lunga oberhalb des Fährhafens, in der Mitte der Bucht, etwa 1 km vom Stadtzentrum entfernt. Dort erwies sich der nördlichste Schwimmsteg, betrieben von „Portosalvo“ am bequemsten und mit dem besten Service (Moorings, Strom und Wasser, aber keine Duschen und Toiletten). Die Liegegebühren schwankten zwischen 50 und 80 € pro Nacht, in der Hochsaison im August allerdings kann es leicht das Dreifache kosten. Besonders teuer ist dann die Insel Panarea, wo man preislich gegen die reichlich vertretene Klasse der 50-Meter-Plus-Hochseeyachten mit Hubschrauberlandeplatz an Deck konkurrieren müsste, aber i.d.R. nicht kann. Die Stadt Lipari selbst ist unbedingt einen Besuch wert, u.a. wegen der Kathedrale, den römischen und griechischen Ausgrabungen auf dem Burgberg, dem Rathaus darauf und dem archäologischen Museum sowie schließlich dem hübschen alten Stadthafen mit seiner malerischen Promenade und Kapelle.
Der letzte Tag auf See war dann Freitag, wo es von Lipari ziemlich schnurstracks mit südlichem bis süd-südöstlichem Kurs zurück nach Portorosa in unsere Heimatmarina ging. Beim obligatorischen Tanken an der Hafeneinfahrt zum Schluss ist man gut beraten, wegen des ziemlich langen Intrails von Schiffen frühzeitig anzukommen und mindestens 1 Stunde früher als zum vereinbarten Abgabezeitpunkt (i.d.R. gegen 16.00) in der Marina einzutreffen. Da spart man sich reichlich Stress. Wir hatten ruhige Windverhältnisse zu diesem Zeitpunkt, aber schon ab 4 bft. wird man viel Spaß haben, in der langen Reihe in der Enge der Hafenein- und ‑ausfahrt ohne gute Festmach-möglichkeiten warten zu müssen. Die Marina selbst wirkt ein wenig so, als hätte sie ihre besten Tage schon hinter sich. Es gibt zwar die üblichen Services, Toiletten, Duschen, Moorings, Strom, Wasser, Charterservices und das eine oder andere Restaurant, aber das könnte auf einem viel besseren Qualitätsniveau betrieben werden. Entschädigt wird man dafür von einem landschaftlich und kulturell traumhaften Revier mit oft guten, manchmal atemberaubenden Windverhältnissen.
Autor: Ralf Heidger