Benebelt!
Über 70 wanderwütige Wassersportler stürmen das Niederwald-Denkmal
Impressionen der Vereinswanderung
von Manfred Schelbert
Ganz langsam quälen sich die Schiffe den Rhein hinauf. Es hat fast den Anschein, als würden sie stehen. Genau gegenüber mündet die Nahe in den Rhein. Hätten wir jetzt klare Sicht, blauen Himmel und Sonnenschein könnten wir einen fantastischen Ausblick genießen. Doch der dichte Nebel lässt von diesem Wunschdenken nichts übrig. Man könnte sagen, wir sind richtig benebelt. Stattdessen erweist sich das Binger Loch an diesem Vormittag als ungastliche Stätte. Und verschwindet irgendwo vor uns die Ruine Ehrenfels hinter den dichten Nebelbänken.
In der Tat hätte uns der Wettergott an diesem Tag besser belohnen können, hätte uns strahlenden Sonnenschein bescheren können. Stattdessen gab es Fog, den Nebel des Grauens, für die mehr als 70 Wassersportler auf dem Weg zum Niederwald-Denkmal in Rüdesheim. Jawohl, über 70 wanderwütige WVSler hatten sich um punkt neun am Bootshaus zur traditionellen Herbstwanderung getroffen. Edgar Hartung und Franjo Schohl hatten in diesem Jahr die Route ausbaldowert. Um 9:41 Uhr fuhr der Zug „am Schiersteiner Hauptbahnhof“ (O‑Ton Hartung) ab. Schon der Weg vom Bootshaus zum Bahnhof durch die Häuserschluchten der Weltstadt Schierstein war ein Abenteuer für sich. „So bin ich auch noch nicht zum Schiersteiner Bahnhof gelaufen“, lachte Birgit Barth, als sie sich plötzlich im Irrgarten der Kängurusiedlung wiederfand.
Positiv. Zumindest die Schranke am Bahnhof war ausnahmsweise geöffnet. Vielleicht streikten ja dieses Mal die Schrankenwärter? Der Zug rumpelte pünktlich in den Bahnhof, die WVS-Wanderschar enterte die Waggons. Edgar Hartung hatte Gemeinschaftstickets besorgt. „Deswegen müsst ihr jetzt auf mich besonders aufpassen“, nutzte unser Vorsitzender seine Position schamlos aus. Dieser Schlawiner! Und, man glaubt es kaum, am Rüdesheimer Bahnhof stieg unser Boss sogar auf die Barrikaden, äähh, ein Mäuerchen, um sich Luft zu verschaffen für seine grandiose Ansprache. Schließlich musste er ja die Route erklären.
Ja, und nun liefen wir also zwischen den Rüdesheimer Weinbergen entlang. Wir, das waren die Unentwegten, die die lange Route in Angriff genommen hatten. Man sprach von einer Wanderstrecke von etwa 12 Kilometern. Na ja, ich weiß nicht, ob das so stimmt. Aber egal. Eine andere Gruppe wählte den gemütlicheren Aufstieg zum Niederwald-Denkmal und nahm die Gondel. Es soll eine recht zugige Fahrt gewesen sein. Für die WVS-Youngster hatte Franjo Schohl eine Art Geocaching parat. So heißt das neudeutsch. Motto: wer suche, der findet. Wer nicht, lässt es bleiben. Sie fanden immer.
Irgendwann fanden alle das Ziel, standen im dichten Nebel vor dem Niederwald-Denkmal. Dort spielte Frank Schulze dann Mundschenk. Statt „Lafer, Lichter, lecker“ war das Motto „Schuhbeck, Schulze, schmackhaft“. Es gab Fleischkäse im Brötchen. Und Glühwein. Dazu hatte unser Drachenbootwart Bänke und Tische aufgebaut. Beikoch Rudi Renschin zerteilte den Fleischkäse mathematisch genau. Alles musste schließlich seine Ordnung haben. Edgar Hartung gab seinen Senf dazu. Äh pardon, nix Senf, nix Ketchup. Ingredienzen Fehlanzeige. Die hatte man schlichtweg vergessen. Oder der Nebel war dran schuld?
Irgendwann als das letzte Stück Fleischkäse vertilgt war, ging´s wieder zurück Richtung Rüdesheim. Nun über die Diretissima. Straight away nach unten. 70 WVSler stürmten die Drosselgasse und später den Bahnhof. Und die Fahrdienstleiterin verschluckte auf dem Bahnsteig vor Schreck fast ihre Pfeife. So gegen zwei, vielleicht halb drei waren wir dann wieder in Schierstein, wo im Vereinsraum Kaffee und Kuchen auf uns warteten. Das Cafe Kranzler wäre vor Neid erblasst. Schwarzwälder Kirschtorte, Streuselkuchen, Apfelkuchen, später Hefehaltiges aus den Alpen und aus dem Schwarzwald. Bis dahin dürften dann auch die Schiffe aus dem Binger Loch ihren Weg rheinaufwärts bis Schierstein gefunden haben.
Bleibt das Fazit von dem Ganzen: Toll war´s. Eine super Veranstaltung. Alle hatten ihren Spaß. Dank an Edgar Hartung, Franjo Schohl, Frank Schulze, Lothar Weckerling, Rudi Renschin für die tolle Organisation. Und natürlich an alle Kuchenbäcker. Und lieber Edgar, wegen dem Senf und dem Ketchup, da mach Dir für nächstes Jahr am besten einen Knoten ins Ohr.