Rhein-Hochwasser, 48-Stunden-Vorhersage: 605–640 cm, „Tendenz steigend“ (Pegel Mainz, 30.01.2021, 18:30 Uhr). Nach dieser Vorhersage würde man in zwei Tagen (Montag/Dienstag) die Bootshalle und das Vereinsgebäude des Wassersport-Vereins Schierstein 1921 e.V. vielleicht nicht mehr trockenen Fußes erreichen. Doch dort sind Hochwasser-Schutzmaßnahmen inzwischen längst nach einem detaillierten Plan im Verein angelaufen.
Auf dem Vereinsgelände des WVS am Westufer des Schiersteiner Hafens lagern hochwertige Boote und Ausrüstung. Schon am frühen Freitagvormittag alarmiert deshalb ein E‑Mail des WVS-Vorsitzenden Edgar Hartung die Abteilungsleiter der Bootsstege und des Campingplatzes. Sie müssen umgehend notwendige Maßnahmen treffen und Campingplatz und Wiese des Vereins räumen. Zwar dürfte Wasser den Booten und ihren Trailern nichts ausmachen. Sie sind ja schließlich für das Eintauchen ins nasse Element gebaut, doch nicht für das Einsinken in einer aufgeweichten Wiese, auf der die Boote mit ihren Trailern den Winter über geparkt sind. „In so einer Schlammlandschaft lässt sich dann kaum noch etwas bewegen“, erklärt Hartung. „Schäden wären nicht nur an den Fahrzeugen, sondern auch an der Wiese nicht mehr zu vermeiden“.
Schon am Samstag, 14 Uhr (Pegel Mainz: 488–497 cm), vermerkt Edgar Hartung vor Ort zufrieden: „Winterlager und Campingplatz geräumt, Trailer mit den Booten sicher auf der Straße, Vorbereitungen für Hochwasserschutz am Gebäude abgeschlossen“.
Die Räumung der Wiese, auf der die Wassersportler sonst ihre Übungen an Land absolvieren, ist allerdings nur der erste Schritt im Hochwasser-Notfallplan des WVS. Dort ist genau verzeichnet, was bei welchem Wasserstand (Pegel Mainz) auf dem Vereinsgelände zu sehen und zu tun ist:
4,75 cm (Hochwassermarke I), das Wasser schwappt in Höhe von Steg 1 etwa auf halber Höhe der Uferböschung gegen die Steinblöcke der Uferbefestigung: Noch keine Maßnahmen erforderlich.
550 cm bis 575 cm, Zugang zum Steg 2 unter Wasser: Wiese räumen, Bodenbereich in den Bootshallen räumen, Absperrverkleidungen für die Eingangstüren vorbereiten.
600 cm: Weitere Maßnahmen, unter anderem die Rechner und Akten im Geschäftszimmer sichern, Tauchwasserpumpe und Notstromaggregat prüfen und für den Notfall vorbereiten.
630 cm und mehr (Hochwassermarke II), das Wasser bedeckt den Vorplatz und erreicht ab 670 cm die Tür zum Umkleide- und Hantelraum: Türen mit Bohlen und Silikon abdichten, externe Stromkästen abschalten, Nachtwachen für die Kontrolle der Tauchpumpen aufstellen und mehr. Natürlich sollten vorher schon Umzugskisten für Akten und Büromaterial bereitgestellt und alle Räume im Erdgeschoss und Keller leergeräumt worden sein.
WVS-Erfahrungen aus Hochwasser früherer Jahre
Dieser sorgfältig ausgetüftelte WVS-Maßnahmenplan basiert auf (leidvollen?) Erfahrungen: Auf einem Foto vom 27. März 1988 sieht man beispielsweise, wie auf der WVS-Wiese Trailer mit Booten unter ihren Winterplanen voll im Wasser stehen. Nun, das Hochwasser von 1988 nimmt in den Top Ten des Pegels Mainz mit 770 cm immerhin den dritten Platz ein (Platz 1: 795 cm am 28.11.1882, Platz 2: 793 cm am 05.01.1983). Am 4. Juni 2013 musste wegen Hochwassers (Pegel Mainz 678 cm) sogar die Große Wiesbadener Kanuregatta abgesagt werden – die Kajaks waren schon direkt vor der Bootshalle aufgeschwommen.
Jetzt, so Hartung, werde das Hochwasser vermutlich nicht mehr derartige Höhen erreichen. Denn die Vorhersage für den Pegel Mannheim, gut 73 Flusskilometer stromaufwärts, zeigt für die 48-Stunden-Tendenz schon wieder fallende Wasserstände (Landesamt für Umwelt Rheinland-Pfalz). „Der Pegel Mannheim ist wichtig für unsere vorbereitenden Maßnahmen“, erläutert er. „Denn dann wissen wir, was noch auf uns zukommen wird und haben noch einige Stunden Zeit, bis die Welle bei uns angekommen ist. Bis dahin muss im Notfall alles gesichert sein. Der Pegel Mainz dagegen bestätigt nur in Zentimetern, was wir gerade selbst im Hafen leibhaftig beobachten.“