
Der Wassersportverein Schierstein 1921 e. V. hat eine neue Trainerin für seinen Segel-Nachwuchs. Und was für eine! Jennifer Weißenberger hat sich in ihren jungen Jahren bereits in der Segelszene einen Namen gemacht. Zum Kennenlernen haben wir sie beim Training im Schiersteiner Hafen beobachtet und im Gespräch mit ihr einiges über sie erfahren. Die Fotos machte Ansgar Kriesel.
Na ja, der Wind treibt an diesem Nachmittag im Schiersteiner Hafen nicht gerade sein Spiel mit den Segelbooten. Hier mal ein laues Lüftchen, dort eine sanfte Brise. Das reißt junge Segler, wie Jennifer Weißenberger nicht gerade vom Hocker, pardon, von ihrer Segeljolle. Dennoch wirbelt die 16-Jährige permanent auf ihrem Einhandsegler herum. Wende folgt auf Wende, Halse auf Halse. Plötzlich sieht es sogar so aus, als läge das Boot kiel im Wasser. Doch das ist alles nur Kalkül. Ruckzuck liegt das Boot wieder auf seinem Rumpf und Jennifer Weißenberger huscht unter dem Segel hindurch zur nächsten Wende. Da wird einem schon beim Zuschauen fast schwindlig. „Meine Wendemanöver müssen sitzen“, stellt Jennifer Weißenberger unmissverständlich klar.
Schon länger ist die Schülerin des Humboldt-Gymnasiums Wiesbaden von dem Segel-Virus befallen. Segeln macht süchtig, so scheint es zumindest in ihrem Falle. Dabei war ihr erster Kontakt mit dem Segelsport nicht gerade konfliktfrei. Es war 2008, sie war gerade fünf Jahre alt, da kollidierte Jennifer Weißenberger im Schiersteiner Hafen mit einem Ruderboot. „Danach war klar, dass ich weiter segle.“ Ebenso klar war von Anfang an, dass das Mädchen eine Wassersportart ausüben würde, schließlich lag ein Motorboot ihrer Eltern an der Steganlage des SC Wiesbaden. „Wir sind auch früher segeln gegangen“, ruft Vater Matthias Weißenberger die Affinität der Familie zu diesem Wassersport in Erinnerung.
Dass Tochter Jennifer für diese Sportart bestens prädestiniert ist, wurde schnell klar. „Zum Segeln braucht man Kondition, Koordination und Konzentration“, erläutert die 16-Jährige. „Und alle diese Voraussetzungen habe ich.“ Zunächst startete sie für den SC Wiesbaden, dann für den SC Rheingau, doch irgendwie passte es in beiden Fällen nicht. Deshalb segelt sie nun für die Seglervereinigung Hüde, deren Revier am Dümmer in der Nähe von Osnabrück angesiedelt ist. So ganz nebenbei fungiert sie seit kurzem jedoch auch im Wassersport-Verein Schierstein 1921 e.V. als Trainerin des Nachwuchses in der Optimistenklasse. Dies hätte sie schon kurzzeitig vor zwei Jahren beim SC Wiesbaden getan, habe also schon etwas Erfahrung auf diesem Gebiet. Ihr Credo zu diesem Job: „Man muss das Segeln selbst vermitteln und mit Kindern umgehen können.“ Kann sie, wie die ersten Trainingseinheiten im neuen Umfeld beweisen.

Doch zurück zu ihrer eigenen Segel-Vita. „212760“, die Nummer ihres Laser-Bootes ist weithin zu sehen. Genau wie der Stern auf dem Segel. Ausnahmsweise ist das nicht der Stern des Südens. Im übrigen ist das nur ihr Trainingsboot. „Das Regattaboot hat die Nummer 216045“, sprudelt es spontan aus Matthias Weißenberger hervor. Beide Boote sind ihr Eigentum. Und mit ihrer Rennziege ist sie immerhin amtierende Deutsche Ranglistenmeisterin in der U17-Kategorie, wäre so für die Welt- und Europa-Meisterschaften qualifiziert gewesen. Doch dank Corona fielen die ins Wasser. Damit ist sie in ihrer Altersklasse in Deutschland die Nummer eins. Im letzten Jahr gewann sie außerdem den Westfalenpreis und wurde Zweite bei den Sachsen-Meisterschaften. Alles in der olympischen Laser-Klasse. Warum gerade diese Bootsklasse? „Es ist ein Ein-Mann-Boot und außerdem leicht zu transportieren“, denkt Vater Matthias da ganz pragmatisch. Etwa 15.000 Kilometer wäre er mit dem Auto bereits in Sachen Segelsport seiner Tochter unterwegs gewesen. Das weiteste Reiseziel? Palamos in der Nähe von Barcelona, dort wurde auf dem Mittelmeer gesegelt. Das Lieblingsrevier der Tochter liegt jedoch im hohen Norden. Auf der Kieler Woche bis zum dortigen Leuchtturm zu segeln, das hat was. „Das ist eine Nummer für sich“, bestätigt Vater Matthias.
Das nächste sportliche Ziel liegt eher im Osten der Republik. In Zwenkau bei Leipzig finden am nächsten Wochenende die internationalen Deutschen Meisterschaften statt. Wohlgemerkt die der Erwachsenen. Aber das ficht Jennifer Weißenberger nicht an. „Ich bin das gewohnt.“ Anders als beim Frühstücksfernsehen, von SAT 1, zu dem sie anlässlich der Kieler Woche 2017 eingeladen war. „Da wollte ich flüchten“, gesteht sie ein und lacht. Alles sei so ungewohnt gewesen. Doch jetzt wüsste sie ja schon, wie der Wind in einem Fernsehstudio weht.