Leni Kliment, Wassersport-Verein Schierstein 1921 e.V., startet bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Szeged/Ungarn (ab 31.08.2022). Seit Jahren nimmt damit erstmals wieder eine WVS-Kanutin bei einem hochrangigen internationalen Wettbewerb mit Sportlerinnen und Sportlern aus 68 Nationen teil. Grund genug für ein Porträt von Manfred Schelbert über diese Ausnahme-Athletin:
Und Action! Wie das Messer durch die Butter, so durchpflügen die Paddel das Wasser. Ja, es hüpft sogar ein leichtes Lächeln über die Gesichter der Protagonistinnen. Und, ganz wichtig, die peppige Sonnenbrille darf nicht fehlen.
Hinten im schnittigen Zweierkajak sitzt Leni Kliment, 15-jähriges Aushängeschild des Wassersport-Vereins Schierstein 1921 e. V. (WVS). Vorne sorgt die gleichaltrige Hannoveranerin Finja Hermanussen für die nötige Power. Beide sind in diesem Jahr deutschlandweit das Nonplusultra im Kanurennsport in ihrer Altersklasse. Dass sie auch international mithalten können, haben sie bereits bei den Junioren-Europameisterschaften im Juli 2022 in Belgrad bewiesen. Dort verpassten sie im Zweierkajak über 500 Meter nur knapp eine Medaille, belegten am Ende Rang vier. “Da haben wir erstmals zusammen im Boot gesessen”, relativiert Leni Kliment das Abschneiden. Dazu kommt noch, dass beide eigentlich noch der Jugendklasse angehören, aber auf internationalen Wettkämpfen vom Deutschen Kanuverband (DKV) bereits bei den älteren Juniorinnen eingesetzt werden. Der Grund liegt auf der Hand: Beide sind einfach schneller als ihre älteren Teamkolleginnen.
Es ist gerade zehn Jahre her, da kam Leni Kliment zum ersten Male mit dem Kanusport in Verbindung. “Ich habe für mich ein Hobby gesucht”, erinnert sie sich. “Und da hat mich mein Cousin zum Paddeln ermuntert.” Dass dieser Schritt ihrem Leben eine völlig neue Richtung geben sollte, das war ihr zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht bewusst.
Nach den Sommerferien 2022 wird Leni Kliment in Gemünden am Main die 10. Klasse des Gymnasiums besuchen. Vor drei Jahren wechselte der Youngster aus Unterfranken in die hessische Landeshauptstadt, fand beim Wassersport-Verein Schierstein 1921 e. V. seine zweite Heimat. WVS-Kanuchef Lutz Vonhausen erinnert sich: “Sie war damals die Einzige, die mit unseren starken Paddlerinnen mithalten konnte, deshalb wollte ich sie unbedingt für unsere Mannschaft haben.” Chapeau für diesen wahren Glücksgriff, denn in der folgenden Zeit mischte Leni Kliment gemeinsam mit Katharina Nikolay und Sina Kretschmer die gleichaltrige Konkurrenz auf.
Was vor allem auch auf ihren Ehrgeiz und Trainingsfleiß zurück zu führen ist. Denn mit dem Kanurennsport hat sie sich eine äußerst trainingsintensive Sportart ausgesucht. Ihr normaler Übungsplan sieht sechsmal Training in der Woche vor. Das sind 14 Stunden paddeln, paddeln und nochmals paddeln. Doch das ist Peanuts gegenüber den Umfängen, die die 15-Jährige während der Vorbereitung bei der Nationalmannschaft auf die Junioren-Weltmeisterschaft absolvieren musste.
Hierzu hatte der Deutsche Kanuverband seine hoffnungsvollen Youngster in der Erfolgsschmiede Kienbaum zusammengezogen. Dort, zwischen Berlin und Potsdam, standen an fünf Tagen in der Woche täglich vier Trainingseinheiten und an den übrigen zwei Tagen zwei Einheiten auf dem Programm. Insgesamt kommen da in der Woche 30 Stunden Training zusammen.
Dazu gehörten zum Beispiel auch “Messbootfahrten”, bei denen die Paddel der Protagonistinnen verkabelt wurden. “Damit”, so Leni Kliment, “soll festgestellt werden, ob das Paddel korrekt ins Wasser getaucht wird und ob der Krafteinsatz stimmt.” Nichts wird hier dem Zufall überlassen.
Und genau daraus speist Leni Kliment auch den Optimismus, dass sie gemeinsam mit Finja Hermanussen im Kampf um die Medaillen mitmischen kann. “Wir kennen uns jetzt viel besser, sind viel schneller geworden”, plaudert sie aus dem Nähkästchen.
Und irgendwann danach beginnt schon wieder die (Winter-) Vorbereitung für die neue Saison. Schließlich möchte Leni Kliment im Mai 2023 wieder für die Nationalmannschaft nominiert werden. Den Spaß am Paddeln, den wird sie so schnell nicht verlieren. “Das ist so ein vielfältiger Sport”, schwärmt sie. “Laufen, Schwimmen, Krafttraining und dazu sieht man noch einiges von der Welt.” Berlin, Belgrad, Budapest! Na, wenn das nichts ist?
Manfred Schelbert