Maas-Reise mit Umleitung: Ziemlich viel erlebt

Log­buchein­träge
La Pic­co­la:
(Mer­ry-Fish­er 695, 7,7 m lang, 2,5 m bre­it, Außen­bor­d­mo­tor 150 PS):

Fre­itag, 26.Mai 23:
WVS-Steg 1 | heit­er, 1 Bft NNO | Pegel MZ: 322 cm
Motor:  628 Std., 6.677 km, Tank: voll 
Motor an: 07:45 Uhr
An Bord: Claus und Sil­via von Kutzschenbach

Der näch­ste Log­buchein­trag für genau diese Posi­tion
(WVS-Steg 1):


Mittwoch, 2.August 23:
Motor aus: 16:51 Uhr |
Motor: 815 Std., 8.001 km 

Zwis­chen den bei­den Log­buch-Ein­tra­gun­gen unser­er kleinen Moto­ry­acht La Pic­co­la liegt unsere große Maas-Reise: 187 Motor-Stun­den, 1.324 Kilo­me­ter, über 185 Schleusen und durch fünf Tun­nel waren meine Frau Sil­via und ich auf unserem Boot unter­wegs. Lange hat­te ich geplant: Route, Zeit, Anlegestellen, wo Ben­zin, Wass­er und Lebens­mit­tel besor­gen (kaum noch Geschäfte in den Dör­fern)? Ein Aben­teuer. Wie aben­teuer­lich es wirk­lich wurde, kon­nten wir aber nicht ahnen.

Zer­fasertes Nylon­seil erdrosselt Schraube

Auf jeden Fall rauschen wir an diesem heit­eren Früh­lings-Fre­itag mit unser­er La Pic­co­la fröh­lich den Rhein hin­unter. In Neuwied getankt, in Bad Hon­nef über­nachtet, in Köln getankt, in Düs­sel­dorf über­nachtet und schließlich im Bij­lands Plas angelegt. Da sind wir schon in den Nieder­lan­den. Also deutsche Nation­alflagge ans Heck und die Gast­land­flagge (Nieder­lande) oben an Steuer­bord gehisst.

Über Nijmegen (Stadt­bum­mel) und den Maas-Waal-Kanaal steuern wir schließlich stro­mauf in die Maas (franzö­sisch: Meuse). Am Ufer Land­wirtschaft, vere­inzelt imposante Bauw­erke, kleine und große Städte. Nicht allzu viel Beruf­ss­chiff­fahrt. Mal tuck­ern wir, mal flitzt unser Boot in Gleit­fahrt übers Wass­er. Urlaub, Entspannung!

Nicht lange: Plöt­zlich set­zt Motor aus, großer Schub­ver­band naht, wir mit Bugstrahlrud­er aus der Fahrrinne, Anker fällt. Schub­ver­band-Kapitän funkt: „Heb je hulp nodig?“ Nein, wir kom­men ohne Hil­fe klar: Fasern eines kaput­ten Nylon­seils-hat­ten unsere Schraube zig­fach umwick­elt, regel­recht erdrosselt, und damit den Motor abgewürgt. Außen­bor­der hoch, mit schar­fem Mess­er Nylon-Reste ent­fer­nt, Schraube wieder frei, Motor ‘runter, ange­lassen, Anker hoch – und weit­er geht’s. Nun ja, so etwas passiert. 

Unsere Etap­pen­ziele erre­ichen wir am Nach­mit­tag und haben noch viel Zeit für Landgänge. Nachts schlafen wir natür­lich an Bord – in Jachthäfen fest­gemacht oder an einem Kai.

Roman­tik: Fest­machen am Kai ein­er berühmten Stadt

Ein Boot am Kai in ein­er großen Stadt – das fand ich früher sehr roman­tisch. Seit Maas­tricht nicht mehr so sehr: Wir machen La Pic­co­la mit­ten im Strom an ein­er Mauer fest, der die Wil­helminabrug mit der Sint Ser­vaas­brug verbindet. Nur ein paar Schritte zur Alt­stadt. Super! Roman­tik, lass kom­men! Sie kommt nicht so recht. Dage­gen kom­men aufgekratzte Jugendliche von der über­laut­en Mega-Freiluft-Dis­co dicht über unseren Köpfen den Kai ent­lang. Sie tun uns nichts. Das aber wis­sen wir erst spät in der Nacht, lange, nach­dem die Disko endlich zugemacht hat. Und son­st? Ja, schön. Allerd­ings kein Wass­er- oder Land­stro­man­schluss. Roman­tik ist immer etwas ärmlich …

Zwis­chenbe­merkung (1): Noch mehrmals während der Reise suchen Jugendliche (m/w) mit und ohne Mope­ds genau das lauschige Plätzchen am Ufer aus, das auch wir wasser­seit­ig zum Über­nacht­en gefun­den haben. Ver­ständlich, sie woll­ten eben unter sich sein. Hm, wir auch …
Zwis­chenbe­merkung (2): Natür­lich sehen wir uns Maas­tricht und alle anderen europäisch-geschicht­strächti­gen Städte auf unser­er Route an (es gibt viele) und sind entsprechend beein­druckt. Aber das ste­ht auch in Reise­führern für Lan­drat­ten. Darüber brauche ich hier nicht schreiben.

Gle­ich nach Maas­tricht kommt Bel­gien. Gast­land­flaggen­wech­sel: Rotweißblau runter, Schwarzgel­brot ‘rauf. Wech­sel auch in der Land­schaft: Erst Indus­trie, dann wilde Arden­nen­land­schaft. Links und rechts hin­ter der kräfti­gen Heck­welle unseres Bootes ziehen oben auf dem Steilufer Felsen und Fes­tun­gen, unten Dör­fer und putzige Schlöss­chen vor­bei. Schauen, staunen, genießen – Sil­via am Steuer und ich hin­ten im Cock­pit bei Kaf­fee und Pfeife: Was geht’s uns (mir) gut!

Erst elf Tage unter­wegs (kommt uns schon ewig vor), und wir erre­ichen Frankre­ich. Wieder Wech­sel der Gast­land­flagge, aber weit­er durch die Arden­nen: Die Meuse windet sich gemäch­lich durchs waldige Schiefer­ge­birge, vor­bei an idyl­lis­chen kleinen Orten, an deren Kai wir über Nacht fest­machen. Wir haben inzwis­chen Rou­tine mit Schleusen und diversen Wartezeit­en, mit der Kanis­ter-Betankung nach län­geren Fußwe­gen zu Straßen­tankstellen und eben­falls län­geren Fußwe­gen, um eine nicht geschlossene Bäck­erei zu find­en. Das ist dann eben so. Alles wunderbar.

Umkehr oder Umleitung?

Wir fahren inzwis­chen meist in Kanälen neben dem Fluss, Tem­polim­it 10 km/h. Das geht ja noch. In Sedan aber geht nichts mehr: Die Weit­er­fahrt auf dem „Canal de l‘ Est“ über Ver­dun nach Nan­cy ist wegen Ver­krautung unmöglich. Kurze Beratung (Rück­fahrt, Land­trans­port, Umweg?), schnelle Entschei­dung: Wir fahren außen herum, nehmen eine Umleitung über den „Canal des Ardennes“ und Reims. Das sind deut­lich mehr als 100 Kilo­me­ter und etliche Tage länger. Egal, bish­er war’s schön und wir sind schneller vor­angekom­men als gedacht. Wir machen es.

Und dann wird’s müh­sam: Schleusen en masse. Zwar ist die Schleusen­treppe nach Le Chesne mit 27 Schleusen auf nur 11 Kilo­me­tern eine Aus­nahme, doch dann fol­gen gefühlt alle zwei Kilo­me­ter Schleusen bis Straßburg — und bis dahin sind‘s noch 400 Kilo­me­ter. Dazu schraubt sich unsere Schraube immer öfter in grün­braun­gelbe Wasserpflanzen-Haufen ein, die sich in den Schleusen aufges­taut haben. Also in der Schleuse Motor aus, hochgeklappt und mit Boot­shak­en das lästige Kraut von der Schraube abgepult.

Meine liebe Sil­via liebäugelt mit Meuterei: Kaum hat sie sich im Cock­pit mal hinge­set­zt, muss sie schon wieder mit der Leine in der Hand hoch, um das Boot in der näch­sten Schleuse fest zu machen. Ich biete ihr meinen Platz am Steuer der La Pic­co­la an. Sil­via: „Nee, fahr du mal lieber in den Schleusen“ … Meuterei abgewehrt.

Völ­lig unbeein­druckt davon ziehen auf unser­er Fahrt langsam rund­herum weite Land­schaften vor­bei: San­fte Hügel mit Feldern, Dör­fer mit spitzen Kirchtür­men, Gehöfte, Vieh auf den Wei­den … Trotz unser­er Kanalar­beit haben wir einen Blick dafür und genießen es, dass die kün­stliche Wasser­straße auch mal hoch über das Land führt und uns tolle Aus­sicht­en gewährt.

Statt gemütlichem Tuck­ern Zwangspause in his­torisch­er Festung

Ganz blöd wird’s aber, als dann im „Canal de la Marne au Rhin“, etwa 40 Kilo­me­ter west­lich von Nan­cy, die Ben­z­in­pumpe der La Pic­co­la nicht mehr pumpen will. Schleusen­wär­terin ange­funkt, die kon­tak­tiert Werft in Toul, von dort kommt Werftchef mit Mon­teur, die bauen ein Stahlgerüst zur Befes­ti­gung eines kleinen Außen­bor­d­mo­tors, mit dem sie unser Boot dann 12 Schleusen weit­er nach Toul tuck­ern. Drei Tage Zwangsaufen­thalt auf der Werft in der his­torischen Fes­tung Toul. Nun ja, es gibt Schlimmeres.

Aber dann weit­er, von Nan­cy aus östlich, kaum Ver­krautung, Schleusen in größerem Abstand — die rein­ste Erhol­ung! Und ger­ade jet­zt, wo wir bei Tem­polim­it von nur noch 6 km/h im Marne-Rhein-Kanal Ost (Klas­sik­er-Teil­stück der Sauer­kraut-Route) glück­lich sind über­haupt weit­er zu kom­men, ver­schmort irgend­wann im Elsass unsere Licht­mas­chine. Dann geht nichts mehr. Ende. Fin!

Als Skip­per habe ich das Sagen. Und so sage ich Sil­via: „Taxi nach Sar­rebourg, Zug nach Wies­baden!“ Sie gehorcht (dürfte in diesem Fall nicht schw­erge­fall­en sein). – Zu zweit irgend­wo im Nir­gend­wo herumzuhän­gen und frus­tri­ert und taten­los auf Reparatur zu hof­fen, erscheint wenig lustfördernd.

Vergnüglich gemein­sames Ende der Reise

Einen Monat später ist La Pic­co­la in ein­er Werft in Niderviller/Elsass repari­ert. Dazwis­chen war ich zweimal zwis­chen Wies­baden und dem Elsass gepen­delt und hat­te in der an Land aufge­bock­ten La Pic­co­la geschlafen, verge­blich auf Ersatzteile wartend, die dann doch nicht kamen oder nicht passten.

Am 28. Juli mache ich endlich die Leinen los in Niderviller. Einen Tag später, in Sav­erne, kommt Sil­via dazu und wir been­den vergnüglich gemein­sam über Straßburg und den Rhein hin­unter unsere Reise am 2. August. Dass wir nach Nier­stein bei viel Regen und viel Wind aber­mals ein Motor­prob­lem haben und nur noch mit hal­ber Kraft unsere Box am Steg 1 erre­ichen, ist dann fast schon egal. Endlich wieder im Heimathafen!

Finale (unter­halb Kühkopf­saue) : Bei viel Regen und Wind dem Heimath­afen im WVS entgegen

Was außer­dem bleiben wird von dieser Reise:

  • Die fre­undlich-neugieri­gen Kon­tak­tauf­nah­men ander­er Freizeit­skip­per (meist Nieder­län­der). Welpen­schutz? Nun ja: Als klein(st)es Boot mit uns zusam­men hat­ten die größeren Kähne in der Schleuse mehr Bewegungsspielraum.
  • Das geniale Engage­ment der Mon­teure in den franzö­sis­chen Werften. Als beispiel­sweise eine neue Ben­z­in­pumpe wegen eines weltweit­en Hack­ings des Her­stellers nicht liefer­bar war, schick­te ein Werft-Kol­lege aus dem süd­franzö­sis­chen Toulouse das Ersatzteil aus seinem Lager mit der Post.
  • Die Hil­fs­bere­itschaft der franzö­sis­chen Schleusen­wärter: Sie kamen nach Mel­dung über Funk­tion­sstörung bei Schleusen (also oft) umge­hend, halfen immer fre­undlich und begleit­eten uns dann sicher­heit­shal­ber zu den näch­sten Schleusen mit ihren Autos am Ufer entlang.

Ein Beitrag von Claus von Kutzschenbach

Törns 23: WVS-Mit­glieder bericht­en, was sie 2023 unter Segeln, mit Motor oder mit Muskelkraft bei größeren Reisen auf See oder in Bin­nengewässern erlebt haben. Wer mit­machen will: Text und Fotos an redaktion@wvschierstein.de – die Berichte wer­den hier bis Jahre­sende in los­er Folge veröffentlicht.

Dieser Beitrag wurde unter News, Steg-1-Chronik / Historie veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.