Anfang Mai 2024 führte die Segelabteilung des Wassersport-Vereins Schierstein 1921 e.V. zwei Trainingstörns auf dem Ijsselmeer und in der westlichen Ostsee für ihre Mitglieder durch. Im Fokus stand der sichere Umgang mit größeren Yachten unter Segeln und vor allem das Einüben verschiedener An- und Ablegemanöver. Hier der Bericht von einem der Teilnehmer des Trainings auf der Ostsee, Andy Dibiasi.
Den Seglerhock-Abend mit der Saisonplanung für 2024 hatte ich im Dezember leider verpasst. Als die Mail mit dem Programmvorschlag kam, hatte ich tags darauf gleich geschrieben, dass ich beim Manövertraining gerne dabei bin und die letzte freie Koje bekommen. Damit hatte ich Glück, sonst hätte ich neben den Pfannkuchen von Stefan Hausmann, die auch im Flottillen-Törnbericht Erwähnung finden, noch einiges mehr verpasst.

Doch nun zum eigentlichen Törn. Wir reisten am Freitag, den 26.4.24, zu unterschiedlichen Zeiten an. Rudolf Krancher sowie Bootseigner & Co-Skipper Sebastian Schul waren bereits da und hatten Proviant eingekauft als Elmar Ott, Skipper Stefan Hausmann und ich, Andy Dibiasi, spätabends ankamen. Nach geselliger Runde ging es spät ins Bett, aber am nächsten Tag einigermaßen zeitig wieder raus. Wir hatten ja einiges auf dem Programm: im Vorfeld hatten wir beschlossen, dass wir jeden Tag gerne eine Mischung aus An- und Ablegemanövern, aber auch ein klein wenig segeln wollten. Am ersten Tag stand erstmal eine ausführliche Einweisung in das Boot „Tuulikki Suuri“, eine Omega 36, an. Dazu kam eine ausführliche Sicherheits-Einweisung, von Rettungsmitteln über Funk und Rettungswesten bis hin zu Lifelines. Da wir Teilnehmenden normalerweise auf Binnen-Kleinkreuzern unterwegs sind, waren insbesondere Letztere in der Praxis neu für uns.
An einem praktischen „Modellbrett“ mit Steg, Dalben, Boot und Wind besprachen wir das Ablegemanöver, legten ab und gewöhnten uns an das Schiff unter Motor im Vorhafen. Aufstoppen, Wenden auf engstem Raum, mit dem Heck im Wind stehen, aber auch bei der Bootsgröße und mit Pinnensteuerung ein Gefühl für Steuern unter Rückwärtsfahrt zu bekommen, standen auf dem Programm. Die Kräfte an der Pinne können schnell groß werden und wir verstanden, warum dabei immer fest zwei Hände an der Pinne sein sollten, wenn das Ruder gelegt wird.



Wir liefen aus, setzten Segel, und steuerten den kleinen Hafen Orth auf der Insel Fehmarn an. Auf halber Strecke durfte aber jeder bei 4–5 Bft erstmal ein Beiliege-Manöver ausprobieren. Auch wenn man es in der Theorie schon oft gehört hat, das Manöver entschieden bis zum Schluss auszuführen, kostet beim ersten Mal überraschend viel Überwindung. Es fühlte sich falsch an, die Genua einfach weiter back stehen zu lassen. Aber wenn nach erstem Segelschlagen Ruhe einkehrt, wie es bei diesen Verhältnissen sonst kaum möglich ist, nimmt man sich vor, bei jedem Bootstyp Beidrehen auszuprobieren. Abends übten wir noch ein paar Ansteuerungen bei Wind von achterlich querab im Hafen von Orth bevor wir an weniger geschützter Stelle anlegten. Nach dem Prinzip „der Dalben ist unser Freund“ und unter Anleitung von Stefan Hausmann und Sebastian Schul legten wir mit Einsatz von Springs, die gefiert werden, kontrolliert rückwärts an – trotz der 5 Bft, die uns von vorn auf die Kaimauer achteraus drückten. Ein anderer Grundsatz: erste und letzte Leine – die luvseitige – sollte uns die Tage immer wieder begleiten.
Wir lernten nach und nach wie wir durch den gezielten Einsatz von Leinen in verschiedenen Situationen kontrolliert und stressfrei an- und ablegen können. Insbesondere das Zusammenspiel von erster/letzter Leine, Motorschub, Windeinfall und Pinne legen spielte ständig eine Rolle und wir bekamen ein Gefühl für die Zusammenhänge. Am nächsten Morgen standen zunächst weitere An- und Ablegerübungen in Orth auf dem Programm, dann segelten wir unter der Fehmarn- Brücke durch und steuerten Burgtiefe an. Nun rotierten wir auch mit der Rolle „Skipper of the day“, bei der wir abwechselnd die Tagesplanung machten und uns flankiert vom offiziellen Skipper im Salzwassernavigieren üben konnten. Abends kochten wir meist an Bord. Die Gerichte hatten wir vorher geplant und kulinarisch war es abwechslungsreich, lecker und die Vitamine kamen auch nicht zu kurz. In Burgtiefe gab es wieder zahlreiche An- und Ableger für alle. Längsseits am Steg und Vorwärts in die Box und im Anschluss eine verdiente Pause mit Pfannkuchen und Eis. Dann setzten wir am Dalben hängend das Großsegel, nutzten den Motor nur kurz zum Aufstoppen und Fahrtaufnehmen nach dem Loswerfen der Leine. So war es stressfreier für Liegenachbarn – und uns 😉. Aus dem Hafen raus und durch die Fahrrinne ging es dann aber rein unter Segeln, der Motor lief sicherheitshalber mit. Ein gutes Gefühl zu wissen, dass es auch unter Segeln geht.


Der seit Tagen anhaltende Ostwind baute langsam eine Welle auf. Wir segelten nach Großenbrode, warfen in der Abenddämmerung im Vorhafen den Anker. Hatte ich bisher erwähnt, dass es noch recht kalt war? Es war kalt. Trotz warmer Kleidung beschlossen wir, den Anker kurz später wieder zu lichten und doch noch im letzten Tageslicht in den Hafen einzulaufen. Anker und Ankerkasten wurden gleich noch vom Schlick gereinigt, ersterer diente uns auf dem niedrigen Schwimmsteg immerhin auch als Trittstufe. Am nächsten Tag liefen wir direkt aus und setzten Segel. Unter reichlich Welle ging es zurück Richtung Fehmarn-Brücke. Die starke Abdrift machte eine Kreuz bei meist 6 Bft nötig, gelegentlich kamen eine Wellen über und ich verstand, warum die Sprayhood ihren Namen trägt und warum ich dennoch froh um Segelhose und Jacke war. Westseits der Brücke war die See deutlich ruhiger, der Wind zunächst auch. Mit zunehmendem Abstand zur Brücke fiel er aber wieder stärker ein. Zurück in Heiligenhafen legten wir erstmal an, was dank guter Leinentechnik sauber gelang aber bei 6 Bft dennoch fordernd war. Wir besprachen am Modellbrett noch einige Manöver, beobachteten interessiert das Hafenkino anderer Crews, sahen deutlich wie vorteilhaft es ist, kontrolliert in Leinen einzudampfen, anstatt zügig einen Anleger ohne Eindampfen zu probieren – was je nach Erfahrungsgrad und Umständen durchaus gut geht, aber viel öfter zu Stress und Risiko führt.

Zum Ausklang gingen wir zusammen Essen. Am nächsten Tag wurde das Deck geschrubbt, der Salon geputzt. Wir sind alle sehr glücklich mit unseren Tagen auf dem Boot, den neuen Erfahrungen und können uns gut vorstellen, so einen Törn mal wieder zu machen. Nach windig-sonnig-kühlen Tagen war am ersten Mai plötzlich der Sommer da. Mit schönen Erinnerungen machten wir uns an die Abreise.
Bericht: Andy Dibiasi
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