Trockenheit und Niedrigstwasser: Nur noch 15 Zentimeter ist am Donnerstagnachmittag (11.08.) der Pegel Mainz vom historischen Tief des Jahres 2003 entfernt. Der betrug damals 1,24 Meter. Welche Auswirkungen das extreme Niedrigwasser auch für Wassersportler hat, hat Manfred Schelbert in einem Beitrag für den “Wiesbadener Kurier” recherchiert. Hier ist sein Bericht (mit freundlicher Genehmigung des Verlags):
“Herr, lass’ es regnen!”
Niedrigwasser-Folgen beim Wassersport-Verein Schierstein 1921 e. V.
Der Pegel sinkt und sinkt und sinkt. Deutschlands wichtigster Wasserstraße, dem Rhein, geht das Wasser aus. Der sagenumwobene Fluss gleicht mehr einem Rinnsal als einem mächtigen Strom. Nicht viel besser ist die Situation im Schiersteiner Hafen. Wo man hinschaut, Niedrigwasser, herausragende Steine, Algenteppiche und Wasserpflanzen. Eine der Folgen: Das Freizeitgelände Rettbergsaue ist seit Mittwoch nicht mehr erreichbar, da die Personenfähre Tamara ihren Betrieb wegen Niedrigwasser einstellen musste.
Doch wie geht es allen anderen Anrainern am großen (nicht vorhandenen) Wasser? Wie gehen insbesondere die Wassersportler mit dieser schwierigen Situation um, die Leistungssport betreiben, also an Wettkämpfen teilnehmen? Lutz Vonhausen, Kanuchef beim Wassersportverein Schierstein 1921 e. V. (WVS), sieht die ganze Situation noch relativ entspannt. “Wir können noch ganz normal trainieren”, sieht er zur Zeit keine Einschränkungen bei der Ausübung der Sportart. Selbst die Trainingsbegleitung auf dem Motorboot sei noch kein Problem. “Wir bewegen uns ja kaum in Ufernähe.”
Aprops Ufernähe: Für Vonhausens Vereinskameraden Karl-Heinz Born war das Thema Ufer schon in aller Munde. “Wir mussten die Liegeplätze unserer Drachenboote verändern”, erläutert der Leiter der Drachenbootabteilung im WVS. Statt in Ufernähe lagern die wuchtigen Boote nun mehr am Steg in Richtung Hafenmitte. Das Training mit den Sportlern könnte jedoch auch hier relativ problemlos stattfinden.
Gleiches würde normalerweise auch für die Ruderer der Rudergesellschaft Biebrich gelten. “Doch unsere Leistungssportler pausieren zur Zeit”, verrät Sportwartin Uli Seib, die die Austragung der Ruderregatta am 10. und 11. September noch nicht in Gefahr sieht. “Die wird wohl stattfinden.”
Ein paar Kilometer rheinaufwärts beim Wiesbadener Kanuverein ist die Situation ähnlich. Paddeln auf dem Rhein können wir, heißt es hier. Nur die Slalomstangen, die hängen aufgrund des niedrigen Wasserstandes in schwindelerregenden Höhen über dem Wasser. Noch problematischer sei die Situation bei der KRKG Kastel. “Die Lache führt hier kaum noch Wasser”, hat Lutz Vonhausen inzwischen herausgefunden. Wie in Ginsheim könne man hier kaum noch paddeln. Der dortige kleine Hafen hat nicht nur einen niedrigen Wasserstand, sondern ist auch durch Wasserpflanzen zugewachsen.
Zurück zum Schiersteiner Hafen. Während also die Paddler ihrem Lieblingssport noch nachgehen können, wird es bei den Motorbootfahrern langsam zappenduster. “Ich habe Angst, dass ich mein Boot irgendwann ausgraben muss”, bringt Eric Russert, Leiter der Motorbootabteilung im WVS, den Status Quo auf den Punkt. Mit über 130 Liegeplätzen stellt der Wassersport-Verein Schierstein 1921 e. V. das größte Kontingent an vereinsbetriebenen Bootsplätzen im Schiersteiner Hafen.
Das größte Problem der Motorboot- und auch der Segelsportler ist das Verlassen des Liegeplatzes. “Wir kommen kaum noch heil von unserem Standplatz weg”, muss Russert ständig befürchten auf Grund zu laufen. Ein Vereinskamerad hätte sich dabei schon den Propeller am Motor ruiniert. Dazu hätte sich an der Hafenausfahrt auf Höhe der DLRG eine große Untiefe platziert, die große Probleme bereite.
Ein paar Kilometer rheinabwärts in der Wallufer Bucht ist das Bild ähnlich. “Wir haben Nullwasser”, bringt es Alexander Cross, der Vorsitzende des Segelclubs Rheingau, auf den Punkt. Soll heißen: Der Pegel des Rheines zeigt dort am Dienstag genau 1,50 Meter an. Was das bei den Segelbooten, die eine Tiefe von 1,30 Meter bis 1,50 Meter vorweisen, ausmacht, kann man sich leicht vorstellen.
Dazu bringt der unangenehme Algenteppich die Wallufer Segler noch zur Weißglut. “Wir haben erstmals in der Geschichte des Vereins Wasserpflanzen gemäht”, verdeutlicht Cross. Soll heißen: Die Algen wurden ratzfatz abgeschnitten, damit sich kein unangenehmer Algenteppich bildet. Doch die Wirkung ist begrenzt. Kaum sind die Algen weg, sind sie auch wieder da.
Weiteres Problem: “Wir können die Boote nicht mehr kranen, da sie im Schlick steckenbleiben”, erläutert Alexander Cross, der an ein reguläres Segeltraining gar nicht denken mag. Auch die “Rheingau Classics”, eine bekannte Segelregatta, die am ersten September-Wochenende stattfinden sollte, wird wohl ausfallen.
Als Ursache dieser Malaise sieht Cross natürlich den Klimawandel. Der Rhein wird normalerweise gespeist vom Schmelzwasser aus den Alpen und Regenwasser, wobei der Rückgang der Gletscher bereits in den vergangenen Jahren zu spüren war. Dazu haben in diesem Jahr die wenigen Schneefälle die Situation noch verstärkt. Die Bootsbesitzer haben deshalb derzeit nur einen Wunsch: Herr, lass es regnen, am besten lange am Stück. Doch das kühle Nass ist weit und breit nicht in Sicht.
Text: Manfred Schelbert, Fotos: Claus von Kutzschenbach